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JAN
2023

Melbourne - Cairns Roadtrip: Das tiefste aller Tiefs und die Sinuskurve des Reisens 

Ich versuche, verzweifelt mit meinen Worten auf die Tränendrüse zu drücken und tippe eine bemitleidenswerte Nachricht an das von meinem Freund und mir gebuchte Hotel in Townsville. Regen … Hochwasser … Gesperrter Highway … Jahrestag … Wir hatten uns so darauf gefreut … Geld zurück?

15. Januar 2023 

Es regnet den dritten Tag durch - ohne Pause und in Strömen. Felder stehen unter Wasser, Flüsse sind eine Stunde vom Überlaufen entfernt und ganze Straßenabschnitte ähneln eher dreckigen Seen als einer befahrbaren Spur. Es ist der erste Jahrestag von meinem Freund und mir und wir sind – ich kann es nicht weniger melodramatisch ausdrücken – metaphorisch am Ertrinken. Die Hotelbuchung – das Zimmer und Bett, das nebenbei das erste seit Oktober gewesen wäre, in dem wir geschlafen hätten - 60 $ – einfach so weg. 

Wir stecken in Bowen fest. Unser Dachzelt ist bei Regen nutzlos, die Hotels in der Gegend sind überteuert und ausgebucht, im voll gepackten Auto ist kein Platz zum Schlafen und unsere Stimmung versinkt irgendwo im Erdboden.

Und schon wieder zweifle ich an all dem Glück, das mir das Reisen durch Australien schenkt. Ich denke an Oktober, als wir von Melbourne aus hoch – Richtung Ostküste – fuhren. Auch zu dieser Zeit: Dauerregen. Hochwasser. Eine schimmelnde Matratze im Dachzelt. Miese Stimmung. Ich denke an unsere quasi ausgefallenen, deprimierenden Weihnachtsfeiertage und an das feuerwerklose Silvester. An meinen Geburtstag voller Heimatsehnsucht und jede Panne dazwischen. 

Reisen ist wie der Rest der Welt nicht schwarz und weiß. Es verändert zwar den Ort und die Art der Herausforderungen – aber nicht unbedingt die Anzahl der Probleme. Es ist kein 5-Sterne-Hotel-Urlaub. Ans andere Ende der Welt zu gehen, wirkt sich nicht auf die Sinuskurve – in meinen Augen: das Gesetz – des Lebens aus. Es bleiben Höhen und Tiefen – nur um einiges extremer. Letzte Woche verbrachten die Nacht am bisher schönsten Campingspot der letzten drei Monate. Und heute sitzen wir planlos bei strömendem Regen im Auto. 

Das heißt: Ich weiß, was ich an dieser Zeit wertschätze. Aber genauso gut weiß ich, was ich vermisse. Unser Dachzelt (bei Sonne) – ein Bett. Das „Schlafzimmer“ am Strand – Privatsphäre in vier Wänden, die nicht aus Stoff bestehen. Monate langer Urlaub – Kopfbeschäftigung. Freiheit, persönliches Wachstum und Erfahrungen – Sicherheit. Das Land und die Menschen kennenlernen – Sehnsucht, die nichts kann, nur weh tun.

Unser finaler Plan: Hoch nach Cairns fahren. Dort unser Auto verkaufen. Am 10. Februar nach Perth fliegen, wo wir zwei Wochen mit den Eltern meines Freundes verbringen werden. Anfang März zurück in die Shearing Sheds - Geld für den Zwischenstopp Bali und die erste Zeit in Deutschland sparen. Und im April/ Mai nach Hause fliegen.

Aber zurück zum Anfang. Am 14. Oktober 2022 starteten wir mit Dachzeltauto und  Kistensystem unsere Reise mit der Great Ocean Road westlich von Melbourne, eine der wahrscheinlich schönsten Straßen der Welt. 
 

Erste Nacht mit vollständigem Set Up

In Melbourne kauften wir uns ergänzend zum Dachzelt eine Markise und dazu ein paar Lichterketten. „Jetzt haben wir wirklich alles.“ Vermutlich ist die Sache mit der Campingausrüstung wie mit dem Einrichten einer Wohnung. Irgendwas fehlt immer noch. Mehr Geldausgaben und Komfort - aber immer weniger Platz im Auto. 

Phillip Island und die Pinguinparade

Auf Phillip Island kann man für ein sehr faires Geld zum Sonnenuntergang wilde Pinguine, die aus dem Meer watscheln, beobachten:

Die kleinen, blauen Pinguine kommen hauptsächlich zum Brüten, Kuscheln und zum Schlafen an Land. Der Schlaf dauert übrigens bei den Tieren nur wenige Minuten. Um sich vor Feinden zu schützen, begeben sie sich noch vor Sonnenaufgang zurück ins Wasser. 

Auch auf Phillip Island: Der erste Sonnenuntergang während des Reisens (ohne Arbeiten) am Strand und das erste Mal selbst geangelter Fisch zum Abendessen:

Die Magie Australiens

Bei unserem  Aufenthalt in Mallacoota liehen wir uns ein Boot zum Angeln aus. Klingt schön – war es leider nicht. Sprühregen plus: In den ersten 10 Minuten hat mir mein Freund einen seiner Angelköder beim Auswerfen versehentlich gegen den Kopf geschmissen. Das Ergebnis: Eine blutende Kopfverletzung – verarztet durch einen eher russischen Verband, dem Ersthilfekid an Board entnommen. Angeln auf unbekanntem Gewässer ist schwierig, hab ich gelernt. Kein einziger Biss.

Ich glaube, an jenem Tag begegnete uns zum ersten Mal die Magie von Australien: In 9 von 10  Fällen, in denen etwas Schlechtes passiert, gibt es eine plötzliche Wendung, die die Situation weniger schlimm macht. Der Mann vom Bootsverleih versuchte, mit uns vom Steg aus nochmal etwas zu angeln. Auch das wurde nichts – es sei außerdem komisch, dass man nicht mal einen Biss hätte. Wir waren anscheinend schlichtweg zur falschen Zeit am richtigen Ort. Nachdem ich mich nach einer halben Stunde pitschnass ins Zelt begeben hatte und mein Freund bei dem alten Mann geblieben war, kam er nach etwa 3 Stunden völlig betrunken zurück. Selbst gebrannter Whiskey – es war nach  7 Uhr abends – alle Restaurants hatten geschlossen und unser Plan, essen zu gehen, war gescheitert. 

Schlafen neben Wallabys

Ein paar Tage später landeten wir auf einem Nationalpark Campingplatz voller putziger Wallabys (känguruähnliches Tier), wo mein Freund auf andere Angler traf und mit ein, zwei Tipps zum Beach Angeln unser Abendessen fing. 

Richtung Sydney - das heißt: ab Wollongong - hatten wir endlich besseres Wetter. Und einen meinerseits lang ersehnten schönen Sonnenaufgang

James Teil 3

In Sydney trafen wir unseren alten Freund und Bootsbesitzer James. Kurzer Flashback. James hatte mich in meinen ersten Tagen in Sydney damals im Mai angesprochen und mir die Stadt  gezeigt. Im Juli, als mein Freund ankam, nahm er uns mit auf sein Boot zum Angeln. Diesmal brachte er eine Belgierin mit, die er erst am selben Morgen in der Stadt angesprochen hatte. Scheint eine Masche von ihm zu sein. James brachte sogar Sushi für uns alle mit. Eine Gegenleistung erwartete er nie. Vielleicht ist er einsam. Vielleicht hat er zu viel Geld. Vielleicht – ich hab ehrlich gesagt keine Ahnung, wieso er das tut. Wir haben kaum mit ihm geredet und quasi allein geangelt. Aber wir hatten einen schönen, kostenlosen Bootsausflug – manche Menschen sollte man vielleicht einfach nicht hinterfragen. 

Die erste und letzte Nacht- und Nebelaktion

Es war bereits etwa 22 Uhr und wir fuhren durch Newcastle - immer noch ohne Campingplatz. An jenem Abend hatte uns jeder Caravanpark abgewimmelt. Nach einem 20 Chicken McNuggets-und-Energydrink-Tankstellenstopp erreichten wir kurz nach 0 Uhr den Campingplatz in einem Nationalpark. Wildcampen ist in Australien illegal. Die Nationalpark Campingplätze findet man für 6 Dollar und kann man online buchen. Manchmal mit Toilette und Dusche, manchmal ohne. Das ist uns seit jener Nacht nie wieder passiert. 

Nicht jeder Strand ist ein Badestrand - Quallen, Haie und weiter nördlich: Krokodile... Und so entdeckten wir meist touristenleere Swimmingholes für uns:

Stocktonbeach: Käseplatte statt Fisch

Geplant war ein Angeltag am Stockton Beach...

Wir fuhren zum ersten Mal mit raus gelassener Reifenluft auf Sand, sogar über Dünen. Achtung, hier kommt das nächste Tief: Der sturmartige Wind sorgte dafür, dass wir abbrechen mussten. Die Sandkörner wurden aufgewirbelt und prallten so unangenehm bis schmerzhaft gegen uns, dass Bleiben sinnlos gewesen wäre. Sehr unschön.

Am Abend entdeckten wir eine bezahlbare, wirklich gute Käseplatte im Supermarkt. Das sparsame Backpackerleben ohne Kühlschrank gibt kaum ein Budget für Käse her. 

Campen neben wilden Kängurus und OKF am Privatstrand 

Einer meiner persönlichen Campingplatzfavoriten lag direkt an einem wunderschönem, menschenleerem Strand und hatte zwei, drei Kängurus als Dauercamper:

Reisen mit Konzert-Deadline: 8. November 2022 in Brisbane

In Brisbane gingen wir auf ein Dean Lewis Konzert, dessen Tickets ich bereits im Mai gekauft hatte. Ein wirklich perfektes, erstes Konzert für mich. Mein Freund zwischen Tausenden von kreischenden Mädchen war ein Anblick, den ich nicht so schnell vergessen werde. 

Schlafen an Orten, die man ohne Camping nie gesehen hätte: 

Auf der verzweifelten Suche nach einem Campingplatz landeten wir auf einem Privatgrundstück von alternativen Australiern. Vater und Sohn leben in einem Kunstgebilde aus Schrott - ohne Türen und Fenster.

Ohne Geld geht gar nichts: Arbeiten in Gatton

In der Kleinstadt Gatton arbeiteten wir 1,5 Wochen auf verschiedenen Farmen, um unsere von 12 auf 8 Tausend Dollar gesunkene Reisekasse aufzufüllen. Eine bunte Mischung aus Zucchini pflücken, Kartoffeln ernten, Pflanzen und Unkraut jäten. Neuer Kontostand: 10 000 Dollar. 

Erster von hinten auf dem Ranking aller Caravanparks: Tenthill

Unser Campinglatz zu der Zeit war eine Erfahrung für sich. Die Bäder stanken nach Unaussprechlichem. Die Wohnkabinen und Caravans wurden regiert von Saisonarbeitern oder Einwanderern aus Papua-Neuguinea. Alle durch und durch Messies. Teils verwahrloste Hunde und Katzen – ein unglaublich trauriger Anblick. Aber für die kurze Zeit und den Preis von 20 Dollar die Nacht die einzig geldsparende und beste Option. Noch ein Plus: Unter den Einwohnern Tenthills befand sich ein halb russischer Australier, der als Mechaniker und Drogendealer sein Geld verdiente und unsere Bufftelbox auffüllte.

Das war der mit Abstand schlimmste Ort, an dem ich je geschlafen habe. Leider gibt es aus dieser Zeit nur ein einziges Foto: um 4 Uhr morgens auf dem Weg zur Arbeit.

Besuch aus der Heimat: Mein Bruder und seine Freundin sind hier

Am 24. November holten wir meinen Bruder und seine Freundin, die ebenfalls ein Work & Travel machen, vom Flughafen in Brisbane ab. Wir halfen beim Autokauf und besuchten gemeinsam die drei Freizeitparks an der Gold Coast: Movieworld, Seaworld und Wet'n'wild. Teils mehr Schlangestehen als Spaß.

Fraser Island

Mit einer Länge von über 120 km ist Fraser Island die größte Sandinsel der Welt. Die Fährkosten inklusive Auto: 240 Dollar. Nicht gerade billig – aber es hat sich gelohnt. 

Ich bin kein Fan von Verabsolutierungen, weil sie meistens mehr verdrehte Illusion als Wirklichkeit aufzeigen. Und doch möchte ich die reinen, unverbesserlichen und unvergesslichen Momente nicht außen vor lassen. Denn die gibt es wirklich. Die, die sich anfühlen, als könnten sie von nichts und niemandem auf der Welt zerstört werden. Die Art von Augenblicken, die ich in meiner Erinnerung konserviere, wo ich sie vorsichtig in weiße Seide einwickele. Sicher aufbewahrt und beschützt vor ihrer eigenen Zerbrechlichkeit – für den Rest meines Lebens. Aufgehoben für die schlechten Tage, an denen ich mich auf die guten besinnen muss. Und die Guten, die sich zu jenen Erinnerungen dazu gesellen dürfen. Es sind die Momente, für die es sich zu reisen, lohnt. Die Das-war's-wert-Momente.

Auf Fraser Island am Strand zu fahren, war einer davon. Ich stellte mich auf den Beifahrersitz und streckte mich durch das geöffnete Dachfenster. Der Fahrtwind, der blaue Himmel, die Wellen. Das war der Inbegriff von Freiheit.

Lake McKenzie: 

Mein 20. Geburtstag auf der größten Sandinsel der Welt

An meinem Geburtstag bin ich aufgewacht zu Sonnenschein und Meerblick. Es gab einen Pancake-Kuchen und einen Spaziergang zu einem der seltenen Tante-Emma-Laden auf der Insel. Zwischendurch eine Menge Sehnsucht nach meiner Familie und meinen Freunden. Beendet mit nackt und high im Meer baden. Es war anders, mit vielen Lücken am Pancaketisch - aber es war besonders. Und es war einer jener Das-werde-ich-nie-vergessen-Tage. 

Spritti in Lebensgefahr

Fraser Island, eine Sandinsel, die nur mit Allrad befahrbar ist. Was uns niemand sagte: Ein Mazda Tribute ist keine Ute, und auch kein Jeep. Auf Sand fahren: kein Problem für Spritti. Auf Straßen mit gefühltem 90 Grad Winkel, Löchern, Holz, Stöcken, Steinen und viel zu tiefen Reifenspuren? Festhalten und beten. Insbesondere am letzten Tag als wir zurück zur Fähre fuhren – und uns verfuhren – dachten wir, es sei vorbei mit unserem geliebten Auto. Mein Freund am Durchdrehen – ich völlig verängstigt. Wir mussten wenden – auf einem einspurigem Weg mit Gegenverkehr. Das war die mit Abstand schlimmste Fahrt meines Lebens und ich würde so, so viel geben, diese Art von Erinnerung aus meinem Gedächtnis löschen zu dürfen. Übrigens: Ein Mazda Tribute ist ein Wunderauto, das sogar Fraser Island sicher übersteht – was keine Empfehlung ist, dem Fahrzeug diese Folter anzutun. Da war es wieder, das Wort „Wunder“ – der Zauber Australiens und das langsam wieder aufsteigende Tief auf der Sinuskurve. 

Arbeiten in Bundaberg

Fraser Island, die Gold Coast und Co waren teuer. Unser Kontostand war auf etwa 6500 Dollar gesunken – und das hieß: zurück aufs Feld. Diesmal: Eine Macadamia Farm in Bundaberg. Mit dabei: Mein Bruder und seine Freundin. Entweder halfen wir beim Macadamiabaumpflanzen oder wir liefen die teils kilometerweiten Felder ab und befreiten den Holzstamm von ungewünschten Trieben.

Bei jedem bisherigen Farmjob gab es immer einen Bauern, der uns bei der Arbeit hetzte. „Schneller! Schneller! Schneller!“ oder „Yehawww!“, schrie zum Beispiel der Zucchini Farmer in Gatton, der den Traktor fuhr, während wir in seinem Tempo das Gemüse pflücken und in Kisten sortieren mussten. Manche Farmer scheinen wirklich einen Götterkomplex zu haben. Die Macadamia Farm hingegen war das Gegenteil. Alles war chaotisch und unorganisiert. Niemand wusste irgendwas. Die Besitzerin käme aus Belgien. „Shitshow”, nannte ein Kollege seinen Arbeitsplatz. Und es war wahr – weil die meisten nie genau wussten, was ihre Aufgabe war oder sie faul waren, fuhren sie Baggie oder Gabelstapler durch die Felder und „taten so als ob“. Wir manchmal natürlich genauso. Der Job nimmt Platz eins auf der Entspannte-Arbeit-Rangliste ein.

Happy New Kakerlake!

Der erste Campingplatz stellte sich nach etwa 3 Tagen als Kakerlakenhausen heraus. Wirklich ekelerregende Insekten, die sich schnell vermehren, Krankheiten übertragen können und schwierig loszuwerden sind. Zuerst hatten wir sie im Dachzelt entdeckt. Dann im Auto. Und mein Bruder und seine Freundin letztendlich sogar in ihrer Kühlbox. Wieso nicht eher? Die mit Herpes vergleichbaren Krabbeltiere verstecken sich gern am Tag und genießen insbesondere nachts vom Menschen unbemerkt ihr Leben in vollen Zügen – nämlich dann, wenn man sie nicht sieht. 

Wir saßen zu viert versammelt voller Ekel und Sorge in der Campingküche, recherchierten und diskutierten über Auswirkungen, Folgen und Lösungsansätze. Ich war duschen, bevor mein Bruder irgendeinen Satz mit „Zauber“ in Verbindung mit „Australien“ sagte. Als ich zurückkam, hatte jene miese Stimmung eine 180 Grad  Wendung gemacht und die drei lachten mit einem Fremden. Der Fremde hieß Stefan – ausgesprochen „Stijefahn” – und war ein weißer, betrunkener Mann, der aus Afrika stammt. Wir landeten mit unseren Campingstühlen an seinem Wohnwagen und redeten über Gott und die Welt. Er erzählte immer wieder von einer Kakerlaken bekämpfenden Rauchbombe, die man im Baumarkt kaufen könne. „Smokebomb hawhawhaw“ hieß es immer wieder. Er sprach es „Smouck Bomp” aus. Wir kifften mit Stefan – oder er rauchte mehr oder minder den ganzen Joint in einem einzigen Zug auf und übergab sich anschließend hinter seinem Wohnwagen. Seine Verlobte fand die ganze Situation weniger lustig als er und ging schlafen. Stefan hingegen lud uns sogar auf seine Hochzeit im Dezember dieses Jahres ein und bot an, unsere Flugtickets zu bezahlen. Ja, Stefan scheint Geld zu haben. 

P.S.: Eine Mischung aus Rauchbomben und im Auto verteilte Gelköder befreiten uns von jener Plage.

Nach 1,5 Wochen stand der Firmenurlaub von Weihnachten bis zum 4. Januar an und mein Freund und ich beschlossen, anstatt sinnlos zu warten, nach Silvester weiterzureisen. Neuer Kontostand: 8 Tausend Dollar. Genug Geld, um die Ostküste hoch nach Cairns zu reisen. 

Die Weihnachtsfeiertage und Silvester sind kaum zu erwähnen. Weihnachten nicht zu Hause ergab keinen Sinn. Silvester ohne Feuerwerk ebenso wenig. Und somit springe ich in die bisherigen Januar-Highlights:

Schnappi 

Hier an der Ostküste wimmelt es von den Krokodilen und man darf aus Vorsicht nicht einmal mehr baden gehen – außer in durch Gitter abgetrennte und von Rettungsschwimmern überwachten Bereichen. Passend dazu: Eine Tour durch eine Krokodilfarm. Dort konnte man ein kleines Krokodil halten – und nebenbei einiges dazu lernen.

Koalas kuscheln, ein Wombat streicheln & vieles mehr: Brendl’s Wildfarm

Eine Stunde nördlich von Mackay liegt eine Privatfarm, die Touren anbietet wie man sie in keinem Wildlife Park kriegt. Der Ursprung lag in meiner Australien Bucket List, die beinhaltet, einen Koala zu halten und ein Wombat zu streicheln. Ich konnte mir vorstellen, wie das in Normalozoos (die ich ohnehin schon sehr ablehne) läuft. Eine Minute Koala halten, ein Foto wie am Fließband und das war’s. 50 Dollar weg. Bei dieser Farm hingegen bezahlt man 80 Dollar und kann so viel Zeit wie man möchte mit den Tieren verbringen. Niemand hetzt. Das war eine der für mich schönsten Australien-Erfahrungen bisher und definitiv jeden Cent wert. 

Ein Bucket List Punkt, den ich nicht abhaken kann: Die Whitsundays

Unsere gebuchte Schnorchel Tour zu den Whitsundays fiel aufgrund des anfangenden Regens, der nicht aufhörte, aus. Und der Aufenthalt in Airlie Beach war in einem Wort enttäuschend. Campen bei Regen ist wirklich keine schöne Sache. Das Auto müffelte nach nassen Klamotten. Und eine nervenaufreibende Konstruktion aus Planen, die mein Freund über unser Dachzelt gespannt hatte, schützte die Matratze zwar vor Schlimmerem, aber sie schimmelte trotzdem heiter weiter. Und den zweistündigen Bauaufwand war es schlichtweg einfach nicht wert.

Feststecken in Bowen

16. Januar 2023

Und jetzt sitze ich hier – um 7 Uhr morgens in einer Turnhalle, die als Notunterkunft genutzt wird. Es gibt Essen, Getränke, Kissen, Decken, Bücher – die Einwohner Bowens brachten kistenweise Unterstützung hierher. Alles freiwillige Spenden, die kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Gestern Abend gab es sogar eine Lieferung von Pizza Hut. Außerdem: Gymnastik- und Yogakurse und eine Art Kinoraum für Kinder. Kein Vergleich zur Bombenevakuierung vor einigen Jahren in Dresden Löbtau. Wirklich beeindruckend, was die Kleinstadt innerhalb weniger Stunden auf die Beine gestellt hat.

Am Ende war die Nacht halb so schlimm. Unser Hotelzimmer haben übrigens mein Bruder und seine Freundin übernommen. Und wäre gestern nicht unser Jahrestag gewesen – hätte uns all das hier wahrscheinlich eher gefreut als enttäuscht.

9.13 Uhr: Die nächste Krise

Über Nacht ist jemand in unser Auto gefahren und hat Fahrerflucht begangen. Spritti ist ein unmittelbarer Teil meines Lebens. Für mich – mehr als nur ein Auto. Es ist mein Zuhause. Schlüssel zum Glück. Ort voller Erinnerungen. Wertanlage von erarbeitetem Geld. 

Die Polizei war weniger als keine Hilfe. Außer einer Umarmung – ja, ich bin in Tränen ausgebrochen – ist nichts passiert. Keine Kameras, keine Zeugen. Und keine Versicherung. Ich bin lange nicht mehr so wütend, traurig und enttäuscht gewesen. Wie – wer – und warum.

Von der Notunterkunft aufs Fischerboot

Als der Regen gegen Abend nachgelassen hatte, spazierten mein Freund und ich am Hafen entlang. Zufällig trafen wir auf einen völlig betrunkenen und bekifften Australier, der uns auf sein Boot – eher Schiff – einlud. Wir zogen an einer aus einer Barbecue-Plastikflasche selbst gebauten Bong und sahen uns ein wenig um. Später kam der Rest der Crew dazu. Die fünf Männer wohnen und arbeiten jeden Tag gemeinsam an Board. Von 20 bis 60 war jeder Altersschnitt vertreten. Eine sehr verrückte Stunde lang saßen wir am Wohnzimmertisch und beobachteten das Treiben. Die besondere Verbindung; die zwischenmenschliche Beziehung der Angler, wirkte einmalig. Verstanden haben wir zwischen dem Drogenrausch und einem extremen Aussie-Akzent allerdings recht wenig. Es lief hinaus auf: Nicken und lächelnd zustimmen. 

17. Januar 2023

Nach insgesamt 54 Stunden Feststecken hieß es dann endlich: Weiterfahren nach Townsville. 

Update aus der Gegenwart

Die Delle in unserem Auto haben wir mit Roststopper und Sprühfarbe ganz gut – und vor allem preisgünstig – verarztet. Zumindest lässt sich der Gebrauchtwagen noch weiterverkaufen. 

Der Jahrestag von meinem Freund und mir wird am Sonntag nachgeholt und unterm Strich war jene Notsituation eine weitere Australien-Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Und am besten: Blauer Himmel und die Sonne scheint. 

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